Das Rad der Zeit – Eine der besten
Fantasy-Serien unserer Zeit
Das Rad der Zeit von Robert Jordan ist für mich persönlich die beste Fantasy-Serie der Gegenwart. Natürlich sollte auch George R.R. Martins Werk „Das Lied von Eis und Feuer“ (bei vielen besser bekannt als „Game of Thrones“) nicht außer Acht gelasen werden, doch die beiden Serien sind ohnehin schlecht vergleichbar. Das Rad der Zeit entwickelt sich zwar im Laufe der Zeit stärker zu Intrigen und Machtspielen der Oberschicht hin, was dem Epos eine gewisse Ähnlichkeit zu Game of Thrones verleiht – an sich handelt es sich jedoch um eine Serie mit anderen Schwerpunkten.
Erzählt wird die Geschichte des jungen Rand al’Thor, der – für ihn selbst vollkommen unerwartet – zum Zentrum sämtlicher Ereignisse seiner Welt wird. Jedoch ist nicht nur sein Schicksal entscheidend. Auch mehrere seiner Freunde geraten in ein spannendes Abenteuer. Im Laufe der Serie wird das Schicksal einer Vielzahl von Charakteren beschrieben, deren Stories schlussendlich wieder zusammenführen, auch wenn man den roten Faden oftmals erst etwas später erkennt. Die Vielzahl an Personen ist mit Martins „Das Lied von Eis und Feuer“ vergleichbar. Dem Autoren Robert Jordan ist somit ein kleiner Geniestreich gelungen: Die Komplexität der Story ist wirklich erstaunlich, während die Logik nur selten auf der Strecke bleibt. Und nicht nur die Geschichte ist stimmig: So werden Länder, Städte, Völker und deren Sitten bis ins tiefste Detail beschrieben, wobei eine real nicht existierende Welt so lebendig erschaffen wird, dass es einem den Atem verschlägt. So besitzen ganze Städte ihre eigene Geschichte, einen besonderen Architekturstil, eine Politik und Hierarchie, selbst kleinste Details wie die übliche Kleidung bleiben nicht unerwähnt. Ich persönlich kenne kaum eine Fantasy-Reihe, die so lebensecht wirkt, dass man fast glauben könnte, sie existiere tatsächlich.
Dazu kommt Jordans einzigartiger Schreibstil, der selbst durch die deutsche Übersetzung (bis Band 14 von Uwe Luserke, ab Band 15 von Karin König) überzeugt. Jordan schafft es tatsächlich, zwei Seiten lang einen Raum zu beschreiben, ohne dass einem dabei langweilig wird. Der Detailreichtum der Fantasy-Welt kommt auf diese Weise besonders gut zum Tragen und erreicht mühelos das Niveau von Tolkiens „Herr der Ringe“. Soll heißen: Selbst wenn keine Story vorhanden wäre, liest man die Beschreibungen immer noch mit Begeisterung. Etwas gewöhnungsbedürftig sind die ans Gälische erinnernden Namen, wobei das in jedem Band angehängte Glossar eine Hilfestellung zur Aussprache bietet.
Worum geht es?
Schwierig ist es nun, interessierten Neulesern einen Vorgeschmack zu geben, ohne zuviel zu verraten. Daher kann ich zu Beginn nur eine kurze Inhaltsangabe machen:
Alles beginnt in einem kleinen Dorf namens Emondsfeld, in dem sich sprichwörtlich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Die wichtigen Charaktere sind mit Ausnahme der Seherin Nynaeve junge Leute unter 20 Jahren. Neben der eigentlichen Hauptperson Rand al’Thor sind das seine beiden Freunde Perrin Aybara und Mat Cauthon, sowie das Mädchen Egwene, mit dem er eine jugendliche Partnerschaft hat. Zu einem Fest sind ungewöhnlich viele Fremde ins Dorf gekommen: Der weißhaarige Gaukler Thom Merrilin und die geheimnisvolle Moiraine und deren Leibwächter Lan. Vollkommen unerwartet kommt es nachts schließlich zu einem Überfall von Trollocs – Kreaturen des Dunklen Königs, die in etwa die Funktion von Orks (Herr der Ringe) erfüllen. Schnell stellt sich heraus, dass der Angriff vor allem den Häusern der drei jungen Einheimischen gegolten hat. Moiraine, die sich als Aes Sedai – eine Art Zauberin – herausstellt, überzeugt Rand, Mat und Perrin mit ihr aus dem Dorf zu fliehen, um nach Tar Valon zu reisen, die Stadt mit der Weißen Burg der Aes Sedai. Von dort aus soll festgestellt werden, warum der Dunkle König nach den drei jungen Männern sucht. So brechen sie in Begleitung von Moiraine, Lan, dem Gaukler Thom und Egwene zu einer abenteuerlichen Reise auf…
Große Parallelen zum Herrn der Ringe
Gerade im ersten Buch sind die Ähnlichkeiten zum Herrn der Ringe so offensichtlich, dass die Inspirationsquelle des Autors kein Geheimnis bleibt. Im weiteren Verlauf der Serie entwickelt die Geschichte jedoch ihre eigene Dynamik und erscheint nicht mehr wie eine Parallelwelt Mittelerdes. Das Dorf Emondsfeld und seine Umgebung lassen sehr ans Auenland denken, mit dem Unterschied, dass die Einwohner Menschen und keine Hobbits sind. Das Rad der Zeit setzt generell mehr auf menschliche Charaktere als Tolkiens Welt und wirkt daher zwischenzeitlich oft wie ein Roman aus dem Mittelalter.
Der Dunkle König nimmt hier die Rolle des Antagonisten ein, wobei er auch eine Art zweiter Sauron zu sein scheint. Auch er ist eine Art Geistwesen, das im Vulkan Shayol Ghul haust und von dort aus seine ganzen bösen Kreaturen beherrscht. In dieser Geschichte ist er durch 13 magische Siegel in seinem Gefängnis gebannt, da diese jedoch brüchig werden, gelangt er zu immer mehr Macht und kann auch nach außen agieren. Seine Trollocs stellen die einfachste Form seiner Kreaturen dar, quasi die Masse der Infanteristen. Diese Tiermenschen sind überaus primitiv, können manchmal ein paar Brocken der menschlichen Sprache beherrschen und treten meist in Massen auf. Ja, sie sind im Grunde genommen die Orks dieser Serie.
Eine der offensichtlichsten Gemeinsamkeiten zum Herrn der Ringe ist auch die Darstellung des Myrddraal – auch eine Kreatur des Dunklen Königs – auf den ersten 200 Seiten. Die Dorfbewohner sehen einen in einen schwarzen Mantel mit Kapuze gehüllten Mann auf einem Pferd, dessen Umhang sich im Wind nicht bewegt. Wer denkt bei dieser Beschreibung nicht an die neun Ringgeister?
Darüber hinaus ist die ganze Anfangsstory identisch: Da sind junge Leute in einem der Zivilisation fern gelegenen Dorf, die überhaupt keine Ahnung von der Welt haben. Hals über Kopf müssen sie sich dann in ein Abenteuer stürzen, das vor allem mit einer langen Reise verbunden ist. Dabei werden sie von einer Person geleitet, die zaubern kann und sehr weise ist – ja, Moiraine stellt anfänglich eine Art weiblichen Gandalf dar 😉 . Selbst die Überquerung eines Flusses (der Taren), der die Grenze zum heimatlichen Gebiet markiert, ist in der Story enthalten, vergleichbar zur Überquerung des Brandywein Flusses mit der Bockenburger Fähre.
Anders als beim Herrn der Ringe spielen hier Frauen eine große Rolle, die den Männern vollkommen ebenbürtig ist. Anscheinend hat in der Welt des Rades die Emanzipation schon früh Einzug gehalten. Da nur Frauen Aes Sedai werden können, haben sie teilweise sogar die Oberhand über die Männerwelt.
Wer weitere Parallelen zwischen den beiden Serien entdeckt hat, kann mir gern seine Anregungen per Mail schicken, ich freue mich.